Mit der Tischler-Brille auf Gilissen: Was wir Kleinen von den Großen lernen könnten

Moin aus unserer Werkstatt!
Wir sind Micha und Stefan – zwei Tischler, zwei Paar Hände, ein Betrieb. Klein, aber mit viel Herz für gutes Handwerk.

Neulich haben wir uns ein Video von LIGNA.TV reingezogen. Es ging um Gilissen – ein beeindruckender Betrieb mit drei hochmodernen Standorten, CNC-Fuhrpark, automatischem Plattenlager und durchdigitalisierten Abläufen.

Unsere erste Reaktion?
👉 „Jo, andere Liga. Was hat das mit unserer kleinen Werkstatt zu tun?“

Aber dann haben wir unsere Tischler-Brille aufgesetzt.
Und plötzlich war klar: Es geht nicht um die Größe. Es geht um Prinzipien.
Um Denkweisen, die man runterbrechen und anpassen kann – auch mit zwei Leuten in einer kleinen Werkstatt.

Hier kommen unsere größten Aha-Momente – und was wir daraus für uns mitnehmen könnten:


🧠 Prinzip 1: Digital denken – auch wenn man keinen IT-Mann hat

Was Gilissen macht:
Sie arbeiten komplett digital – vom CAD über die Arbeitsvorbereitung bis zur Maschine, alles läuft nahtlos.

Was wir daraus mitnehmen:
Auch wir könnten unsere Abläufe verschlanken – weniger Zettel, weniger doppelte Eingaben. Es geht nicht darum, sofort ein großes ERP-System einzuführen, sondern um digitale Klarheit.

Was wir vielleicht umsetzen könnten:

  • Eine durchgängige Softwarelösung, z.B. CAD/CAM, die direkt in den Maschinenprozess greift
  • Ein digitales Projektmanagement-Tool, um Aufträge, Angebote und Zeiten besser im Griff zu haben
  • Weniger manuelles Übertragen – mehr automatisierter Datenfluss, auch wenn’s nur in der Formatkreissäge endet

📦 Prinzip 2: Material ist Kapital – und jeder Kratzer kostet

Was Gilissen macht:
Ein automatisiertes Plattenlager mit Vakuumhebern schützt Platten vor Beschädigungen und organisiert Reste clever.

Was wir daraus mitnehmen:
Materialschonung ist für uns sogar noch wichtiger – wir haben weder Platz noch Budget für große Lagerbestände oder Ausschuss.

Was wir vielleicht umsetzen könnten:

  • Kratzfreie Lagerung verbessern, z. B. durch bessere Unterlagen, weniger Schieben
  • Bessere Stapellogik im Plattenlager, um schnell an die richtigen Materialien zu kommen
  • Material kommissionsbezogen bestellen, statt auf Vorrat – weniger gebundenes Kapital, weniger Lagerchaos

⚙️ Prinzip 3: Maschinen clever nutzen – statt immer aufrüsten

Was Gilissen macht:
Sie setzen Nesting- und 5-Achs-CNCs strategisch ein und nutzen die Maschinen flexibel, je nach Bedarf und Auftrag.

Was wir daraus mitnehmen:
Nicht jede Maschine braucht ein Upgrade – oft ist es die Nutzung, die über Effizienz entscheidet.

Was wir vielleicht umsetzen könnten:

  • Aufträge gezielter auf Säge vs. CNC aufteilen
  • Kleinserien oder Einzelteile flexibel auf vorhandenen Maschinen fertigen
  • Prozesse so planen, dass weniger Umspannungen nötig sind (z. B. stirnseitige Bearbeitung direkt im Anschluss)

🕐 Prinzip 4: Termintreue = Vertrauen

Was Gilissen macht:
Dank Messebau-Erfahrung ist Termintreue für sie ein Muss – Verschiebung? Gibt’s nicht.

Was wir daraus mitnehmen:
Pünktlichkeit ist kein "Nice-to-have", sondern ein Versprechen. Gerade als kleine Tischlerei ist das unsere stärkste Währung.

Was wir vielleicht umsetzen könnten:

  • Verbindlichere Terminplanung und engere Kommunikation mit Kunden
  • Puffer bewusst einplanen, um realistisch zu bleiben – nicht „so schnell wie möglich“, sondern „verbindlich und sauber“
  • PU-Leim an der Kantenanleimmaschine einführen, um Qualität bei feuchteempfindlichen Möbeln sichtbar zu machen

🌱 Prinzip 5: Nachhaltigkeit beginnt beim Zuschnitt

Was Gilissen macht:
Holzreste werden zu Briketts gepresst und heizen die Werkstatt – effizient und ökologisch.

Was wir daraus mitnehmen:
Wir müssen nicht gleich brikettieren – aber bewusster mit Ressourcen umgehen können wir alle.

Was wir vielleicht umsetzen könnten:

  • Schnittpläne stärker optimieren, um Verschnitt zu reduzieren
  • Reste systematisch sammeln und für Kleinprojekte nutzen oder weitergeben (z. B. an regionale Heiznutzer)
  • Materialauswahl hinterfragen: Muss es immer das teuerste Dekor sein oder gibt’s Alternativen mit weniger Ausschuss?

🎯 Prinzip 6: Ordnung ist keine Schwäche – sondern ein Produktivitäts-Booster

Was Gilissen macht:
Mit Farbcodes, nummerierten Boxen und festen Abläufen behalten sie bei Großprojekten den Überblick.

Was wir daraus mitnehmen:
Auch wir verlieren manchmal Zeit, weil „das Teil grad irgendwo liegt“. Und das nervt.

Was wir vielleicht umsetzen könnten:

  • Farbcodierung für nächste Bearbeitungsschritte (z. B. Blau = Kante, Grün = CNC, Rot = Lack)
  • Feste Zonen für laufende Projekte – alles an einem Ort, keine Sucherei
  • Ein einfaches Whiteboard oder digitaler Statusplan für offene Aufträge und nächste Schritte

🧑‍🏫 Prinzip 7: Ausbildung mit Herz – nicht aus Pflichtgefühl

Was Gilissen macht:
Sie machen Ausbildung aktiv, laden Schulen ein, bieten Einblicke und schaffen Begeisterung.

Was wir daraus mitnehmen:
Der Fachkräftemangel kommt auch zu uns. Wenn wir ausbilden wollen, dann richtig.

Was wir vielleicht umsetzen könnten:

  • Praktika anbieten und aktiv mit Schulen sprechen
  • Einen Azubi wirklich mitnehmen, fördern, in Verantwortung bringen
  • Zeigen, dass Tischlerhandwerk mehr ist als Holz schieben – es ist modernes, kreatives Problemlösen

🪚 Fazit: Große Denkweise, kleiner Maßstab

Unsere Werkstatt ist nicht Gilissen. Und das ist auch gut so.
Aber unser Anspruch kann trotzdem derselbe sein.

Wir haben durch die Gilissen-Tour nicht nur Technik gesehen, sondern eine Philosophie gespürt:
🔹 Präzise Prozesse
🔹 Respekt vor Material
🔹 Fokus auf Qualität
🔹 Klarheit in der Führung

Und das alles kann auch ein kleiner Betrieb leben.
Vielleicht ohne Vakuumheber. Aber mit klaren Entscheidungen. Und mit Blick nach vorn.


💬 Jetzt du:

Was wäre dein erster Hebel?
Welche dieser Prinzipien würdest du als Erstes bei dir in Angriff nehmen?

Lass es uns wissen – per Kommentar, Nachricht oder einfach im Gespräch auf der Baustelle.

👉 Hashtag #TischlerBrille – wenn du deine Sichtweise teilst.
Denn wir Kleinen dürfen laut denken. Und groß träumen.


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